Der Grund?
Der Grund: Urteile des Bundessozialgerichts (BSG), allen voran das sogenannte Herrenberg-Urteil, haben für große Unsicherheit gesorgt. Viele fragten sich plötzlich:
Ist Unterricht auf Honorarbasis überhaupt noch möglich – oder droht Scheinselbstständigkeit?
Wir haben das Thema deshalb ausführlicher beleuchtet und die wichtigsten Punkte verständlich zusammengefasst.
Was war das „Herrenberg-Urteil“?
Im Juni 2022 entschied das Bundessozialgericht (B 12 R 3/20 R), dass eine Klavierlehrerin trotz Honorarvertrag nicht selbstständig, sondern sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Ausschlaggebend war nicht der Vertragstitel, sondern die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit. Die Lehrkraft war:
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organisatorisch in den Betrieb der Musikschule eingebunden (Räume, Instrumente, feste Unterrichtszeiten),
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weisungsgebunden tätig,
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ohne eigene Schülerakquise oder Preisgestaltung,
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ohne nennenswerte unternehmerische Freiheit.
Die Folge: Die Musikschule musste Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen – trotz Honorarvertrag.
Dieses Urteil markierte einen klaren Kurswechsel und wurde zum Maßstab für viele weitere Fälle, etwa bei Volkshochschulen, Sprachschulen und gemeinnützigen Bildungsträgern.
Bestätigung der strengen Linie (2024)
Im November 2024 bestätigte das BSG diese Sichtweise erneut (B 12 BA 3/23 R).
Ein VHS-Dozent für Abschlussvorbereitung wurde ebenfalls als sozialversicherungspflichtig eingestuft – obwohl er inhaltlich relativ frei unterrichtete.
Entscheidend war erneut die Eingliederung in die Organisation des Trägers.
Die Folgen in der Praxis
Die Auswirkungen waren spürbar:
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Bildungsträger sahen sich mit dem Risiko hoher Nachforderungen konfrontiert – inklusive Säumniszuschlägen.
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Freie Lehrkräfte verloren Aufträge oder mussten in kurzfristige Anstellungen wechseln.
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Viele Träger stellten 2024 den Einsatz von Honorarkräften vorsorglich ganz ein.
Die politische Reaktion: Übergangsregelung bis Ende 2026
Um Planungssicherheit zu schaffen, wurde eine Übergangsregelung in § 127 SGB IV eingeführt.
Was bedeutet das konkret?
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Lehrtätigkeiten können bis zum 31.12.2026 weiterhin als selbstständig behandelt werden,
auch wenn sie nach der aktuellen BSG-Rechtsprechung eigentlich als Beschäftigung gelten würden. -
Die Regelung gilt auch rückwirkend, wenn beide Seiten ursprünglich von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind.
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Voraussetzung:
Die Lehrkraft stimmt der Anwendung der Übergangsregelung schriftlich zu (z. B. per Vertragszusatz). -
Wichtig:
Die Regelung verschiebt nicht die Prüfung, sondern den Eintritt der Versicherungspflicht auf den 01.01.2027.
Ab diesem Zeitpunkt endet die Schonfrist.
Was sollten Bildungsträger und Lehrkräfte jetzt tun?
1. Verträge prüfen und dokumentieren
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Klare Bezeichnung der Tätigkeit als selbstständige Honorartätigkeit
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Schriftliche Einwilligung zur Übergangsregelung festhalten
2. Praxis überprüfen
Für echte Selbstständigkeit spricht u. a.:
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mehrere Auftraggeber,
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eigenes Marketing,
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eigene Preisgestaltung,
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keine vollständige Eingliederung in interne Abläufe,
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keine verpflichtenden Team- oder Verwaltungsaufgaben.
3. Statusfeststellung nutzen
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Über ein Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV) kann der sozialversicherungsrechtliche Status verbindlich geklärt werden.
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Das schafft Rechtssicherheit – vor allem mit Blick auf 2027.
4. Langfristig planen
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Mischmodelle (Anstellung für dauerhafte Kurse, Honorar für Projekte)
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Strukturelle Anpassungen rechtzeitig vornehmen, um spätere Nachzahlungen zu vermeiden
Wichtig: Sozialversicherungspflichten bleiben bestehen
Auch echte Selbstständigkeit bedeutet nicht automatisch „abgabenfrei“:
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Viele freiberufliche Lehrkräfte unterliegen der Rentenversicherungspflicht (§ 2 SGB VI).
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Lehrende in künstlerischen oder publizistischen Bereichen können unter die Künstlersozialkasse (KSK) fallen – mit entsprechenden Pflichten für Auftraggeber.
Fazit: Übergangszeit bewusst nutzen
Bis Ende 2026 besteht Handlungsspielraum – aber keine Dauerlösung.
Wer diese Zeit nutzt, um Verträge, Strukturen und Abläufe sauber aufzustellen, reduziert das Risiko deutlich.
Ab 2027 wird die Abgrenzung zwischen selbstständig und beschäftigt wieder konsequent geprüft.
Transparenz- & Haftungshinweis
Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Trotz sorgfältiger Recherche übernehmen wir keine Gewähr für Vollständigkeit, Aktualität oder die Übertragbarkeit auf Einzelfälle. Für eine verbindliche Einschätzung empfehlen wir die individuelle Prüfung, z. B. durch ein Statusfeststellungsverfahren oder fachkundige Beratung.
Stand: Dezember 2025


